Gelebte Integration

Von Michaela Reh
Brunsbüttel - Vorsichtig stützt Diana Alomar den älteren Patienten und begleitet ihn das kurze Stück zu seinem Rollator. Ulrich Koslowski soll ein wenig den langen Krankenhausflur auf und ab spazieren. Die 16-jährige Syrerin unterstützt ihn dabei.
Diana Alomar absolviert zurzeit ein Berufspraktikum im Westküstenklinikum (WKK). Ihre Deutsch-Kenntnisse sind bereits so gut, dass sie die Anweisungen gut versteht.


„Alle sind hier sehr nett zu mir. Mir macht die Arbeit Spaß“, sagt die junge Frau. Ihre Mutter sei Hebamme, und sie selbst wolle später auch gern im medizinischen Bereich arbeiten. Die Syrerin besucht seit Mitte Januar eine der DaZ-Klassen der Gemeinschaftsschule Brunsbüttel. Dabei steht der Begriff DaZ für Deutsch als Zweitsprache. Die Gemeinschaftsschule an der Bojestraße ist seit Herbst 2015 ein „teilstationäres DaZ-Zentrum“ für Schüler aus Flüchtlingsfamilien. Sie ergänzt neben weiteren Schulen in Dithmarschen das zentrale Angebot in Meldorf.
Diana Alomar ist eine von fünf Flüchtlingen der DaZ-Klasse, die zurzeit für ein oder zwei Wochen in die deutsche Berufswelt schnuppern dürfen. Die jungen Menschen arbeiten im WKK, in der Koog-Apotheke, in der Stadtbücherei, bei der Firmal Cornels und im Altenhilfezentrum Haus Süderdöffte.
„Alle machen sich sehr gut, wie mir die Betriebe versichert haben. Sie sind fleißig und sehen selbstständig, wo Arbeit anfällt, die erledigt werden muss“, sagt Solveig Henningsen. Die engagierte DaZ-Lehrerin hat sich während der Herbstferien selbst um die Praktikumsplätze für ihre ausländischen Schüler gekümmert. „Ich habe das bewusst sehr spät gemacht, um keinem deutschen Schüler einen Platz wegzunehmen.“
Die Praktikanten hat sie in erster Linie nach deren Sprachkenntnissen und nach dem Alter ausgewählt. „Ein bestimmter deutscher Wortschatz muss natürlich vorhanden sein.“ Solveig Henningsen freut sich, dass der erste Praktikumsdurchlauf für Flüchtlinge so reibungslos funktioniert. „Das WKK hat mir bereits signalisiert, es auch bei einem nächsten Mal mitmachen würde. Außerdem hoffe ich, dass sich noch viele andere Firmen finden, die Flüchtlingen eine Chance geben.“ Die DaZ-Schüler würden während des Praktikums eine Menge lernen: „Das Bad in der deutschen Sprache bringt sie weiter.“ Sie würden außerdem an Sicherheit gewinnen und ihre Schüchternheit verlieren. „Das ist gelebte Integration“, findet Henningsen.
Auch die Bilanz der DaZ-Klassen fällt gut aus: Die zurzeit rund 40 ausländischen Mädchen und Jungen im Alter von 10 bis 16 Jahren seien hoch motiviert und zielstrebig. „Unser Ziel ist es, dass diese jungen Menschen einen Schulabschluss machen“, sagt Schulleiter Hans-Peter Stein. Angefangen hat die Gemeinschaftsschule zunächst mit einer DaZ-Klasse, musste aber rasch eine weitere einrichten. Die Schülerzahlen stiegen innerhalb kürzester Zeit von 20 auf 41. Die Kinder und Jugendlichen kommen unter anderem aus Syrien, Afghanistan, Russland, Polen und Albanien. Einige von ihnen waren nicht alphabetisiert und hatten in ihrer Heimat keine Schule besucht, andere können sehr gut Englisch. Die Bandbreite sei groß.
Das DaZ-Konzept der Gemeinschaftsschule sieht vor, dass die Flüchtlingskinder zwei Schulstunden pro Tag in Deutsch unterrichtet werden. Den restlichen Schultag verbringen sie in ihren Stammklassen, den regulären Klassen. Neun Kinder konnten bislang bereits zurückgeschult werden, das heißt, sie besuchen größtenteils nur noch den Unterricht in den regulären Klassen. Sechs von ihnen sind an der Gemeinschaftsschule geblieben, drei von ihnen besuchen inzwischen das Gymnasium.

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